Erster internationaler Weltmädchentag - TERRE DES FEMMES stellt neues Internetportal gegen Zwangsheirat vor - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Public Affairs





 

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AVIVA-BERLIN.de im Dezember 2024 - Beitrag vom 16.10.2012


Erster internationaler Weltmädchentag - TERRE DES FEMMES stellt neues Internetportal gegen Zwangsheirat vor
AVIVA-Redaktion

Erzwungene Eheschließungen sind ein Schrecken ferner Länder, finden in einem säkularen Staat nicht statt und betreffen vor allem nicht die beste Freundin oder eine selbst – so der Mythos. Real...




... sind in Deutschland einige Tausend Mädchen und junge Frauen von Zwangsehen bedroht, oder sogar schon betroffen.

Der erste Tag der Mädchen dieser Welt

Die Kampagne "Because I am a Girl" des Kinderhilfswerks "Plan International" rief bereits 2008 den ersten Internationalen Mädchentag in Berlin ins Leben. 2009 schlossen sich die weltweiten Plan Organisationen zusammen, und forderten einen internationalen Mädchentag auf UN-Ebene. 2011 schließlich stimmten die Vereinten Nationen für den Welt-Mädchentag und setzten den 11. Oktober zum "International Day of the Girl Child" fest, der 2012 zum ersten Mal begangen wurde.

Am Abend des 1. Internationalen Mädchentags wurden nicht durch in Berlin die Mädchenrechte beleuchtet: Das Dach des Sony-Centers erstrahlte in Pink - zeitlich parallel zum Riesenrad "London Eye" in London, der Meerjungfrau in Kopenhagen, dem CN-Tower in Toronto, dem "Red Fort" in Dehli, den Niagarafällen, dem Empire State Building in New York und vielen weiteren Gebäuden weltweit.

Theoretisch ist alles in Ordnung

Wozu denn einen Weltmädchentag in Deutschland begehen? Jungen und Mädchen haben hier doch die gleichen Ausgangschancen auf eine gute Ausbildung, sie können jeden Beruf ergreifen, für den ihre Leistungen sie qualifizieren und werden durch das Gesetz selbstverständlich davor geschützt, von Eltern oder Verwandten gegen ihren Willen verheiratet zu werden.

Realität kümmert sich nicht besonders um Theorie

Neben all den anderen strukturellen und direkten Diskriminierungen, die Mädchen und Frauen hierzulande jeden Tag aufs Neue erleben, ist die Gefahr, zu einer Ehe gezwungen zu werden, leider kein reiner Stoff aus Alpträumen und Hollywoodfilmen. Laut dem Bundesministerium für Frauen, Familie, Senioren und Jugend (BMFSFJ) wurden im Jahr 2008 in Deutschland 3.443 von Zwangsverheiratung bedrohte oder betroffene Personen beraten – und das sind nur die, die sich in eine Beratungsstelle getraut haben, beziehungsweise überhaupt wussten, dass ihnen solche Stellen zur Verfügung stehen.

93 Prozent der beratenen Personen waren Mädchen und Frauen, darunter knapp 30 Prozent siebzehn Jahre alt oder noch jünger, 40 Prozent zwischen achtzehn und 21 Jahren. Die meisten steckten noch mitten in ihrer – zu 37 Prozent schulischen und zu 21 Prozent beruflichen – Ausbildung. Über die Hälfte der Beratenen hatten bereits körperliche Gewalt in der Familie erlebt und in 27 Prozent der Fälle war die Zwangsverheiratung mit Waffengewalt und/oder Morddrohungen verbunden. Die jüngste Beratene war erst neun, die älteste 55 Jahre alt.

Auch das erst 2011 verabschiedete Gesetz gegen Zwangsverheiratung reicht vorne und hinten nicht aus, um erzwungene Verheiratungen wirkungsvoll verhindern oder ahnden zu können: wenn das Mädchen zur Eheschließung ins Ausland gebracht wird, sind die deutschen Behörden machtlos, da der Straftatbestand "Zwangsverheiratung" unbegreiflicherweise nicht in den Katalog der Auslandstraftaten aufgenommen wurde.

Zeig uns deine Superheldin

Ausgerechnet dort, wo Betroffene den meisten Kontakt mit Gleichaltrigen und erwachsenen Vertrauenspersonen außerhalb ihrer Familien haben, werden erzwungene Eheschließungen immer noch kaum besprochen: an den Schulen. Der von TERRE DES FEMMES gestartete Kreativwettbewerb "Zeig uns Deine SUPERHELDIN!" hatte darum Jugendliche zwischen 14 und 21 Jahren aufgefordert, sich mit dem Thema Zwangsheirat auseinander zu setzen, es mit ihren AltersgenossInnen zu diskutieren und auch in ihre Schulen hinein zu tragen.

Aus dem Plakatmotiv der Gewinnerin Sarah Melz wurde schließlich ein Sticker gestaltet, der nun in ganz Deutschland an Schulen verteilt werden wird und er auf das neue Internetportal www.zwangsheirat.de aufmerksam macht, das am 11. Oktober 2012 online ging. Dort können sich betroffene Mädchen und Frauen - anonym oder persönlich - über ihre Rechte, Möglichkeiten und den wichtigsten Fragen zu ihrer Sicherheit informieren und beraten lassen.

Weitere Informationen finden Sie unter:

www.zwangsheirat.de

www.terre-des-femmes.de

Zwangsverheiratung in Deutschland – Anzahl und Analyse von Beratungsfällen (BMFSFJ, 2011)

Im Namen der Ehre. Misshandelt, zwangsverheiratet, ermordet. Hilfsleitfaden für die Arbeit mit von Zwangsheirat / Gewalt im Namen der Ehre bedrohten oder betroffenen Mädchen und Frauen

Studie des Bundeskriminalamts. Dietrich Oberwittler, Julia Kasselt: Ehrenmorde in Deutschland 1996 - 2005 (2011)


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